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BGH zur extraterritorialen Anwendung von US-Sanktionen

Autorenbild: RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschied am 18. März 2025 über eine Schadensersatzforderung der iranischen Bank gegen die deutsche Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG, Frankfurt am Main (CBF) wegen dem Einfrieren von Wertpapieren (Az. XI ZR 59/23).


Der Sachverhalt


Die Klägerin, die in München eine Zweigniederlassung unterhält, nimmt die Beklagte in erster Linie auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Sie erbringt Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Außenhandel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran. Die Beklagte ist die Clearstream Banking AG aus Frankfurt am Main (CBF), Wertpapiersammelbank aus Deutschland.


Der Präsident der USA gab im Jahr 2015 bekannt, dass sich die Staaten aus der Nuklearvereinbarung mit dem Iran zurückziehen und die auf ihrer Grundlage aufgehobenen Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzen werden. Diese Sanktionen verbieten unter anderem Personen, die nicht der US-amerikanischen Gerichtsbarkeit unterliegen (sog. Sekundärsanktionen), Geschäftsbeziehungen mit Personen, die in der vom Office of Foreign Assets Control (OFAC) erstellten Liste gesperrter Personen (Specially Designated Nationals and Blocked Person List, SDN-Liste) genannt sind. Die Klägerin wird seit November 2018 in dieser Liste aufgeführt.


Im Juni 2019 erwarb die Klägerin über eine deutsche Geschäftsbank Unternehmens- und Staatsanleihen im Nennwert von rund 10,5 Mio. €, die von der Beklagten zentralverwahrt oder zwischenverwahrt wurden. Im August 2019 fror die Beklagte die Wertpapiere ein (Freezing). Am 10. Januar 2020 hat die US-Regierung dann die Executive Order 13902 erlassen, welche mit Wirkung seit Oktober 2020 spezifische Finanzmarktsanktionen gegen Personen regelt, die Geschäftsbeziehungen mit Personen unterhalten, die auf der SDN-Liste stehen. Ein am 16. Januar 2020 erteilter Veräußerungsauftrag der Klägerin wurde nicht ausgeführt.


Die Entscheidung


Der XI. Zivilsenat des entschied, dass der Klägerin zwar keine vertraglichen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen, die Beklagte durch das Einfrieren der Wertpapiere aber das Eigentum und sonstige Rechte der Klägerin im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB verletzt hat.


Zwischen den Streitparteien besteht kein direktes vertragliches Verhältnis. Die Klägerin unterhält lediglich eine Vertragsbeziehung mit ihrer Geschäftsbank. Der von der Beklagten geschlossene Depotvertrag sei auch kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, also zugunsten der Klägerin.


Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 (EU-Blocking-VO) zu. Nach dieser Vorschrift hat jede Person im Sinne von Art. 11 EU-Blocking-VO, die an einer Tätigkeit gemäß Art. 1 EU-Blocking-VO teilnimmt, Anspruch auf Ersatz von Schäden, die ihr aufgrund der Anwendung der im Anhang der EU-Blocking-VO aufgeführten Gesetze oder der darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen entstanden sind. Die Klägerin ist nämlich keine davon geschützte Person, da sie eine nach iranischem Recht gegründete Bank ist und ihren Sitz im Iran hat. Die von ihr in München betriebene Zweigniederlassung ist keine eigenständige juristische Person.


Die Beklagte hat jedoch das Eigentum und sonstige Rechte der Klägerin im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB verletzt. Das gelte nicht nur für die zentralverwahrten Wertpapiere, sondern auch für die bei der Beklagten als "Treuhand-WR-Gutschriften" verbuchten ausländischen Wertpapiere. Durch das von der Beklagten vorgenommenen Einfrieren wurde die Klägerin von den zentralen Gebrauchsmöglichkeiten der Wertpapiere vollständig ausgeschlossen.


Das Einfrieren der Wertpapiere war auch widerrechtlich. Ein Rechtfertigungsgrund lag zugunsten der Beklagten nicht vor. Insbesondere griff die Executive Order 13902 erst im Oktober 2020, also nach dem Einfrieren der Wertpapiere durch die Beklagte.


Der BGH musste die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen, welcher Feststellungen hinsichtlich der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen von § 823 Abs. 1 BGB treffen muss.


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