Geldbußen bzw. Strafzahlungen (Cash Penalties) nach CSDR
Aktualisiert: 1. Dez.
Die verspätete Abwicklung von Geschäften ist ein für den Wertpapierhandel typisches Phänomen. Verspätungen ereignen sich jedoch in einem Umfang, welcher den europäischen Gesetzgeber spätestens seit dem Jahr 2012 veranlasste, dem mit spezifischen Regelungen in der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 (Central Securities Depositories Regulation, CSDR) und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (Short Selling Regulation, SSR) entgegenzutreten. Die Regelungen zur sog. Abwicklungsdisziplin umfassen nach der CSDR auch Geldbußen (auch: Strafzahlungen, Geldstrafen, Cash Penalties oder Settlement Penalties), welche denjenigen Teilnehmern eines Abwicklungssystems vom Zentralverwahrer berechnet werden, welche die Verspätung verursachen.
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Geldbußen als Säule der Abwicklungsdisziplin
Der Geldbußen-Mechanismus ist eine Säule der finanzaufsichtsrechtlichen Maßnahmen zur Förderung der sog. Abwicklungsdisziplin. Die fünf Säulen der Abwicklungsdisziplin gem. CSDR und SSR sind neben bestimmten Compliance-Anforderungen (Art. 6 CSDR), bspw. Vorgaben i.B.a. die Handhabung von Abwicklungsinstruktionen, Meldepflichten (Art. 7 Abs. 1, Art. 9 CSDR) und der Möglichkeit, einen wiederholt säumigen Teilnehmer zu suspendieren (Art. 7 Abs. 7 CSDR), insbesondere auch einen Mechanismus zur Festlegung von Geldbußen (auch: Strafzahlungen oder Cash Penalties) (Art. 7 Abs. 2-6 CSDR) und die Durchführung von Eindeckungsverfahren (auch: Selbstvornahme, Zwangsregulierung oder Buy-ins) (Art. 7a CSDR, Art. 15 SSR).
Privatrechtlicher Charakter der Geldbußen
Geldbußen i.S.d. CSDR sind nicht zu verwechseln mit Geldbußen i.S.d. deutschen Ordnungswidrigkeitenrechts. Letztere Geldbußen werden einem Betroffenen als öffentlich-rechtliche Maßnahme von der zuständigen Behörde gem. § 66 Abs. 1 Nr. 5 OWiG durch Bußgeldbescheid mitgeteilt und ahnden eine vom Gesetzgeber als Ordnungswidrigkeit geregelte vorwerfbare Handlung unterhalb der Strafbarkeitsschwelle.
Die CSDR ist zwar auch eine öffentlich-rechtliche Regelung. Sie verpflichtet jedoch Zentralverwahrer als Privatrechtssubjekte, ein Geldbußensystem für ihre Teilnehmer zu etablieren. Entsprechende Verpflichtungen kann der Zentralverwahrer lediglich auf privatrechtlicher Ebene gegenüber den Teilnehmern des Wertpapierliefer- und Wertpapierabrechnungssystems (Abwicklungssystem) über sein Regelwerk bzw. seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln und umsetzen. Geldbußen an sich haben daher einen privatrechtlichen Charakter.
Verwahr- und Abwicklungsstrukturen im Überblick
Emittenten übertragbarer Wertpapiere, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) bzw. Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) haben, sind nach Art. 3 Abs. 1 CSDR verpflichtet, die Wertpapiere von einem Zentralverwahrer im Effektengiro erfassen zu lassen, wenn diese Wertpapiere an einem Handelsplatz (z.B. der an Frankfurter Wertpapierbörse oder der Börse Stuttgart) gehandelt werden bzw. gehandelt werden sollen.
In Deutschland erfolgt die Erfassung im Effektengiro klassischerweise grds. dadurch, dass der Emittent der Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG eine Wertpapiersammelurkunde zur Girosammelverwahrung übergibt (einliefert) und die Wertpapiersammelbank eine entsprechende Depotgutschrift kontenmäßig erfasst. Das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) ermöglicht Emittenten, von einer physischen Einlieferung abzusehen, wenn er das Wertpapier als elektronisches Wertpapier begibt. Die Wertpapiersammelbank vermittelt den jeweils Berechtigten das Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren. Dies erfolgt i.d.R. über als Depotbanken agierende Zwischenverwahrer.
Die Abwicklung von Wertpapiergeschäften im Effektengiro erfolgt auf der Grundlage erteilter Abwicklungsanweisungen (auch: Abwicklunsinstruktionen) durch Umbuchung der jeweiligen Depotgutschriften durch die an der Abwicklung beteiligten Verwahrer. Die Abwicklung wird Zug um Zug vorgenommen, d.h. die Übertragung der Wertpapiere erfolgt zeitgleich mit der Übertragung der Gelder (delivery versus payment).
Ursachen verspäteter Abwicklungen
Nach den Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) lag die monatliche Abwicklungseffizienz, d.h. der Anteil der Geschäfte, die rechtzeitig zum vorgesehenen Abwicklungstag (d.h. dem Liefertermin) abgewickelt werden konnten, von über T2S abgewickelten Zahlungsinstruktionen im Jahr 2023 nach ihrem Volumen im Durchschnitt bei 94,3%. D.h. 5,7% wurden nicht rechtzeitig abgewickelt.
Erfolgt eine Abwicklung nicht zum vorgesehenen Abwicklungstag, kann dies mehrere Ursachen haben. Nach einer Untersuchung der International Capital Market Association (ICMA) aus dem Jahr 2021 war Hauptursache das Unvermögen des Verkäufers, die Wertpapiere zu liefern (71% der Fälle). In 27% der Fälle lag es an fehlerhaften Abwicklungsinstruktionen und in lediglich 2% der Fälle lag es an einem fehlenden Geldguthaben des Käufers.
Mehrfach verschobener Geltungsbeginn
Die Regelungen zu Geldbußen bzw. Strafzahlungen (Cash Penalties) galten nicht bereits seit Inkrafttreten der CSDR im Jahr 2014. Der europäische Verordnungsgeber wollte diese erst zu einem späteren Zeitpunkt gleichzeitig mit von der Europäischen Kommission zu erlassenden technischen Regulierungsstandards in Geltung treten lassen. Im Jahr 2018 hat die Kommission dann die DelVO (EU) 2018/1229 erlassen. In Kraft treten sollte diese, und mit ihr auch der Geldbußen-Mechanismus, jedoch erst zwei Jahre später im Jahr 2020. Dann hat die Europäische Kommission das Inkrafttreten zunächst auf das Jahr 2021 verschoben und dies mit dem hohen Umsetzungsaufwand der Zentralverwahrer begründet. Später hat sie das Inkrafttreten auf das Jahr 2022 verschoben, was mit den zusätzlichen Umsetzungserschwernissen aufgrund der Ereignisse rund um COVID-19 begründet wurde. Letztendlich ist die DelVO (EU) 2018/1229 jedoch am 1.2.2022 in Kraft getreten und mit ihr auch der Geldbußen-Mechanismus i.S.v. Art. 7 CSDR.
Von Geldbußen bzw. Strafzahlungen betroffene Wertpapiere
Der Zentralverwahrer hat den Geldbußenmechanismus für folgende, in seinem Abwicklungssystem abgewickelte Arten von Finanzinstrumenten einzurichten:
Übertragbare Wertpapiere, d.h. insb. Aktien und Schuldverschreibungen (Anleihen);
Geldmarktinstrumente, d.h. bspw. kurzfristige Schuldscheindarlehen, Finanzierungsfazilitäten, Schatzwechsel und -anweisungen (treasury bills) oder Commercial Papers;
Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen (OGAW);
Emissionszertifikate.
Keine Geldbußen sind für Aktien zu berechnen, deren Haupthandelsplatz in einem Drittland (z.B. USA, Schweiz) ist.
Berechnung der Geldbußen
Der Zentralverwahrer ist nach Art. 7 Abs. 2 UAbs. 3 CSDR verpflichtet, denjenigen Teilnehmern des Abwicklungssystems Geldbußen bzw. Strafzahlungen zu berechnen, die verzögerte Abwicklungen verursachen. Die Geldbußen werden täglich für jeden Geschäftstag nach dem vorgesehenen Abwicklungstag, an dem das Geschäft nicht abgewickelt wird, berechnet.
Nach den näheren Vorgaben zur Festsetzungsmethodik in der DelVO (EU) 2018/1229 hat der Zentralverwahrer die vom säumigen Teilnehmer eingezogenen Geldbußen dem nicht belieferten Teilnehmer gutzuschreiben. Auf diese Weise werden die Geldbußen in einer Kette von Transaktionen an denjenigen Teilnehmer weitergereicht, der die verspätete Belieferung letztendlich verursacht hat.
Fraglich ist, ob und inwieweit die Teilnehmer des Abwicklungssystems verpflichtet bzw. berechtigt sind, vereinnahmte bzw. gezahlte Geldbußen an ihre Kunden, in deren Auftrag sie handeln, weiterzureichen bzw. von ihnen Ersatz zu verlangen. Eine ausdrückliche Regelung enthält die CSDR insoweit jedenfalls nicht. Abseits möglicher vertraglicher Regelungen, wären die zivilrechtliche Grundsätze des BGB zu beachten. Eine gesetzliche Ersatzpflicht des Kunden für vom Teilnehmer gezahlte Geldbußen wird man zumindest dann ablehnen müssen, wenn der Teilnehmer die verspätete Belieferung etwa aufgrund fehlerhafter Abwicklungsinstruktionen selbst verursacht hat.
Die Höhe der Geldbußen richtet sich nach der DelVO (EU) 2017/389. Ihr Anhang regelt für verschiedene Arten von Wertpapieren unterschiedliche Sätze, die bei der Berechnung der Geldbußen auf den täglich zu ermittelnden Marktwert anzuwenden sind.
Zentralverwahrer sind grds. befugt, gegenüber den Teilnehmern des Abwicklungssystems Entgelte für den Betrieb des Geldbußen-Mechanismus zu berechnen.
Art der gescheiterten Abwicklung | Satz |
1. Gescheiterte Abwicklung aufgrund fehlender Aktien mit einem liquiden Markt i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. b MiFIR, ausgenommen Aktien nach Punkt | 1,0 Basispunkte |
2. Gescheiterte Abwicklung aufgrund fehlender Aktien ohne liquiden Markt i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. b MiFIR, ausgenommen Aktien nach Punkt 3 | 0,5 Basispunkte |
3. Gescheiterte Abwicklung aufgrund fehlender auf KMU-Wachstumsmärkten gehandelter Finanzinstrumente, ausgenommen Schuldinstrumente nach Punkt 6 | 0,25 Basispunkte |
4. Gescheiterte Abwicklung aufgrund fehlender Schuldinstrumente, die von folgenden Stellen begeben oder garantiert werden: a) einem öffentlichen Emittenten i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 60 MiFID; b) einem öffentlichen Emittenten aus einem Drittstaat; c) einer Kommunalbehörde; d) einer Zentralbank; e) einer multilateralen Entwicklungsbank nach Art. 117 Abs. 1 UAbs. 2 und Art. 117 Abs. 2 Richtlinie (EU) Nr. 575/2013; f) der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder dem Europäischen Stabilitätsmechanismus | 0,1 Basispunkte |
5. Gescheiterte Abwicklung aufgrund fehlender Schuldinstrumente anderer Art als den unter Punkt 4 und 6 genannten | 0,20 Basispunkte |
6. Gescheiterte Abwicklung aufgrund fehlender Schuldinstrumente, die auf KMU-Wachstumsmärkten gehandelt werden | 0,15 Basispunkte |
7. Gescheiterte Abwicklung, da alle sonstigen Finanzinstrumente, die nicht unter Punkt 1 bis 6 genannt werden, fehlen | 0,5 Basispunkte |
8. Gescheiterte Abwicklung aufgrund fehlender Barmittel | Leitzins f. Übernachtkredite der Zentralbank, die die Abwicklungswhrg. begibt (Untergrenze 0) |
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