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Anwendbarkeit der PRIIP-Verordnung auf Anleihen – Leitlinien der EU-Aufsichtsbehörden

Aktualisiert: vor 3 Tagen


Am 24.10.2019 haben die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) eine gemeinsame Aufsichtserklärung (Joint Supervisory Statement) veröffentlicht, die den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Leitlinien zum Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 (PRIIP-Verordnung) auf Anleihen an die Hand gibt. Die Leitlinien konkretisieren für die folgenden Merkmale, ob dieses die Einordnung einer Anleihe als verpacktes Anlageprodukt für Kleinanleger (PRIP) zur Folge haben: unbestimmte Laufzeit, Nachrang, fester Zins, variabler Zins, Kündigungsrecht des Inhabers, Kündigungsrecht des Emittenten (einschließlich Make-Whole-Klausel) und Wandlungsrecht.



Hintergrund


Die PRIP-Verordnung findet auf die folgenden Arten von Finanzprodukten Anwendung, welche gemeinsam als PRIIP (verpacktes Anlageprodukt für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukt) bezeichnet werden:


  • PRIP (verpacktes Anlageprodukt für Kleinanleger) bezeichnet eine Anlage, einschließlich von Zweckgesellschaften im Sinne des Artikels 13 Nummer 26 der Richtlinie 2009/138/EG oder Verbriefungszweckgesellschaften im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe an der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates ausgegebener Instrumente, bei der unabhängig von der Rechtsform der Anlage der dem Kleinanleger rückzuzahlende Betrag Schwankungen aufgrund der Abhängigkeit von Referenzwerten oder von der Entwicklung eines oder mehrerer Vermögenswerte, die nicht direkt vom Kleinanleger erworben werden, unterliegt.

  • Versicherungsanlageprodukt bezeichnet ein Versicherungsprodukt, das einen Fälligkeitswert oder einen Rückkaufwert bietet, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist.


Die Breite der Definitionen haben zu bestimmten Rechtsunsicherheiten hinsichtlich des Anwendungsbereichs der PRIIP-Verordnung geführt, einschließlich der Frage, welche Merkmale Anleihen als PRIIP qualifizieren. Angesichts dessen hat der Gemeinsame Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA), welcher sich aus der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zusammensetzt, Mitte 2018 ein Schreiben an die Europäische Kommission gerichtet, in dem er die Kommission auffordert, Leitlinien zum Anwendungsbereich der PRIIP-Verordnung im Zusammenhang mit Anleihen zu erlassen. Die Kommission lehnte dies jedoch ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass es nicht angebracht sei, Orientierungshilfen zu Anleihetypen oder -kategorien zu geben, da jede Anleihe von Fall zu Fall betrachtet werden müsse, um ihr Gesamtpaket an Merkmalen zu bewerten und so festzustellen, ob es sich um ein PRIIP handelt oder nicht, und dass es in jedem Fall nicht Aufgabe der Kommission sei, EU-Recht auszulegen, sondern letztlich Sache des Gerichtshofs der Europäischen Union.



Leitlinien


Die gemeinsame Aufsichtserklärung enthält einen Anhang mit Leitlinien zum Anwendungsbereich der PRIIP-Verordnung, der verschiedene Merkmale von Anleihen spezifiziert. Nach den Leitlinien ist jedes Merkmal einzeln zu betrachten, insbesondere wenn eine Anleihe verschiedene Merkmale kombiniert. Die nachfolgende Tabelle fasst diese Merkmale zusammen.


​Merkmal

​Leitlinie

Unbestimmte Laufzeit

Bei Anleihen mit unbestimmter Laufzeit (Rentenanleihen) gehen die ESA grundsätzlich nicht von Schwankungen des Rückzahlungsbetrags aus. Solche Anleihen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der PRIIP-Verordnung.

Nachrang

Die ESA gehen im Falle eines Nachrangs nicht von Schwankungen des Rückzahlungsbetrags und entsprechend nicht von einer Anwendbarkeit der PRIIP-Verordnung aus.

Fester Zins

Auch die Vereinbarung eines festen Zinses führt nicht zur Qualifikation einer Anleihe als PRIP. Dies gilt sowohl für den Fall, dass die Kuponzahlungen bis zur Fälligkeit auf einen bestimmten Zinssatz festgelegt sind, auch auf Null, als auch für den Fall vordefinierter Änderungen der Kuponzahlungen zu festen Zeitpunkten vor der Fälligkeit.

​Variabler Zins

Bei variablem Zins ist eine differenzierte Betrachtung anzustellen. Im Falle vordefinierter Erhöhungen des Kupons (siehe oben), die weder an einen Referenzwert noch an die Wertentwicklung eines oder mehrerer Vermögenswerte, die nicht direkt gekauft werden, gekoppelt sind, gilt die Anleihe nicht als PRIP. Dies gilt auch für Änderungen aufgrund einer Herabstufung des Ratings des Emittenten, eines Kontrollwechsels oder eines steuerlichen oder aufsichtsrechtlichen Ereignisses. Besteht eine direkte Verbindung zu einem Zinsindex (mit oder ohne Aufschlag, der das Kreditrisiko des Emittenten widerspiegelt), gehen die ESA ebenfalls nicht von Schwankungen des Rückzahlungsbetrags aus, es sei denn, es gibt eine zusätzliche Strukturierung, wie z. B. eine Ober- oder Untergrenze (außer bei Null). Im Übrigen wird im Regelfall davon auszugehen sein, dass ein variabler Zins die Qualifizierung als PRIP nach sich zieht.

Kündigungsrecht des Inhabers

Ein Sonderkündigungsrecht des Inhabers mit dem Inhalt, die Anleihe vor Laufzeitende an den Emittenten zurückzugeben (sog. Puttable Bond), führt nicht zur Einordnung der Anleihe als PRIP.

Kündigungsrecht des Emittenten

Ein Sonderkündigungsrecht des Emittenten führt grundsätzlich nicht zur Annahme eines PRIP. Zu einem anderen Ergebnis kann man gelangen, wenn der Rückzahlungsbetrag nicht festgelegt ist, etwa weil er von einem Referenzwert abhängt (insb. Make-Whole-Klauseln). Ist hingegen dem Anleger der Mechanismus zur Berechnung des Abzinsungssatzes im Voraus bekannt, könnte dies als gesonderter Fall betrachtet werden und keine Qualifikation als PRIP nach sich ziehen.

Wandlungsrecht

Wenn der Anleger oder der Emittent die Anleihe in Aktien des Anleiheemittenten oder Aktien eines anderen Unternehmens umtauschen kann, gehen die ESA grundsätzlich von Schwankungen des Rückzahlungsbetrags und damit von PRIP aus.


Ansprechpartner


Rechtsanwalt, LL. M. (UCL)

Hendrik Müller-Lankow





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